Humboldt-Universität zu Berlin - Digitale Medien – Projekte und Plattformen

orbis digitalis

"Orbis digitalis", das pädagogische Museum im Netz, bietet den Studierenden der verschiedenen erziehungswissenschaftlichen Studiengänge und des Lehramtstudiums an der Humboldt-Universität ein virtuelles Praxisfeld, in dem sie entlastet vom Handlungsdruck im freien Experiment die Gegenstände unserer Kultur nach ihrer Bildungsbedeutung befragen und alle Grundprobleme der museumspädagogischen Arbeit vom Sammlungsaufbau, über die Inszenierung und Präsentation der Objekte bis zu den komplizierten Fragen der Beschriftung und Kommentierung erproben und diskutieren können. Das Museum ist von jedem Ort der Welt zugänglich, immer geöffnet und kostet keinen Eintritt.

Dr. phil. Michael Parmentier

michael.parmentier@rz.hu-berlin.de http://www2.hu-berlin.de/orbisdigitalis/

HU Berlin | Institut für Erziehungswissenschaften | Prof. Dr. phil. Michael Parmentier | 2093-4084

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Der Projektname "orbis digitalis" erinnert an eine Fibel, die in der
Mitte des 17. Jahrhundert als Rembrandt noch lebte in Amsterdam von
Amos Comenius, einem der Pioniere der neuzeitlichen Pädagogik,
herausgebracht wurde. Das Buch war sehr erfolgreich und hat über die
Jahre und Jahrhunderte hinweg immer wieder Neuauflagen erlebt. Auch
Goethe besaß noch ein Exemplar dieser Fibel und war, wie wir aus
Dichtung und Wahrheit wissen, ganz fasziniert davon. Die Fibel war aber
nicht nur eine Fibel, also ein bebildertes Buch zum Lesenlernen,
sondern auch eine neuplatonisch inspirierte Beschreibung der ganzen
Welt. Deshalb hieß sie in der Kurzfassung "orbis pictus", die gemalte
Welt. Daraus haben wir "orbis digitalis" gemacht. Was sich unter diesem
Titel heute verbirgt, ist allerdings keine pansophische Fibel mehr,
sondern, wie der Untertitel unseres Projektes verrät, ein
"pädagogisches Museum im Netz".
Das Museum wurde am 1. Januar 2000 am damaligen Institut für
Allgemeine Pädagogik gegründet. Der Gründungstag symbolisiert eine
Perspektive und eine Ambition. Wir hatten natürlich das 3. Jahrtausend
im Blick. Und noch heute - drei Jahre danach - lassen wir uns gerne
"Avantgarde" nennen. Jedenfalls wehren wir uns nicht besonders heftig
gegen dieses Etikett. Unterschwellig haben wir den zugeschriebenen
Mythos wohl sogar schon zu einem Bestandteil unseres
Selbstverständnisses gemacht. Er beflügelt uns zumindest. Unterhalb
dieser luftigen Selbststilisierung ist das "pädagogische Museum im
Netz" jedoch eine ziemlich prosaische Einrichtung. Sie bietet den
Studierenden der verschiedenen erziehungswissenschaftlichen
Studiengänge und des Lehramtstudiums ein virtuelles Praxisfeld, in dem
alle Grundprobleme der museumspädagogischen Arbeit vom Sammlungsaufbau,
der Selektion und Archivierung der Objekte also, über ihre Inszenierung
und Präsentation bis zu den komplizierten Fragen der Beschriftung und
Kommentierung unter experimentellen Bedingungen selbsttätig erprobt,
untersucht und diskutiert werden können.
Weil es sich nicht nur um ein Museum, sondern spezieller noch um ein
pädagogisches Museum handelt, ergeben sich für die Studierenden der
Erziehungswissenschaften und Lehramtsstudiengängen natürlich noch
weitere fachbezogene Lernchancen. Die Beteiligung am Aufbau und der
Fortentwicklung dieses Museums gibt ihnen die Gelegenheit, das gesamte
dingliche Arsenal der Pädagogik, die schulischen und außerschulischen
Requisiten und Lernwerkzeuge, die Vielfalt der Spielsachen und
Übungsgeräte einmal genauer unter die Lupe zu nehmen und auf ihre
pädagogische Funktion und Bedeutung hin zu überprüfen. Aber das ist
noch nicht alles. Es sind nicht nur die pädagogischen Gegenstände und
didaktischen Materialien im engeren Sinne, die in dem Museum gezeigt
werden sollen. Darüber hinaus wollen wir auch noch auf all die
trivialen und kaum beachteten Dinge hinweisen, die den Alltag der
Heranwachsenden instrumentieren und unbewusst ihren Bildungsprozess oft
tiefgreifend und nachhaltig beeinflussen: die Wohnungseinrichtung der
Familie, die Utensilien der frühkindlichen Hygiene, die geliebten
"Übergangsobjekte", die aufgenötigten Anzüge und die ersten
selbstgekauften Klamotten, die Turnschuhe und Schmuckstücke, überhaupt
die kulturellen und subkulturellen Accessoires der Jugendlichen. All
dies und noch manches andere sind Sammlungsobjekte und potentielle
Kandidaten für unsere Ausstellungen. Um in die Sammlung des "orbis
pictus" aufgenommen zu werden, muss ein Gegenstand nur die Gelegenheit
bieten, an ihm eine Bildungsbewegung zu thematisieren.
Schließlich ist das pädagogische Museum auch noch ein virtuelles
Museum. Gegenüber diesem Museumstyp werden immer wieder von orthodoxen
Authentizitätsaposteln starke Vorbehalte geäußert, vor allem in Form
von Verlustanzeigen: Verlust an Materialität auf Seiten der Exponate
und Verlust an Sinnlichkeit auf Seiten der Rezipienten. Das mag ja
richtig sein. Aber man sollte bei diesen Bedenken nicht vergessen, dass
auch das klassische Museum kein Eldorado der Sinnlichkeit war. Es
herrschte ein umfassendes Berührungsverbot und mei st wurden die
Exponate auch noch in Vitrinen eingeschlossen. Im Grunde ist ja auch
der Monitor nichts anderes als eine Art Vitrine und deshalb ist es
vielleicht nicht einmal ganz falsch in der Zweidimensionalität des
virtuellen Museums das heimliche Telos der modernen Museumsgeschichte
zu sehen. Doch darüber kann man natürlich streiten. Nicht streiten kann
man über die sonstigen Vorteile des virtuellen Museums: Es ist an jedem
Ort der Welt zugänglich, immer geöffnet und kostet keinen Eintritt.
Außerdem kennt es keine Raumprobleme und ist höchst flexibel bei der
Verknüpfung der Exponate zu neuen Arrangements. Darin gründet dann auch
seine "der Möglichkeit nach" uneinholbare Aktualität. Durch ihre
Beteiligung am Aufbau eines derartigen Museums können die Studierenden
das virtuelle Medium par excellence, das Internet, das ihren
zukünftigen Berufsalltag mitbestimmen wird, nicht nur als "user",
sondern auch als Gestalter kennen lernen und die dafür nötigen
Kompetenzen erwerben.
Das "pädagogische Museum im Netz" wird flankiert von einer Website,
die durch Literaturlisten, nützliche Linkverzeichnisse,
Examenshinweise, Ankündigungen und wissenschaftliche E-Texte
verschiedenster Art die herkömmliche Lehre im "Schwerpunkt
Museumspädagogik" unterstützt und die Möglichkeiten zum Selbststudium
verbessert. Kommen Sie rein und sehen Sie selbst:
http://www2.hu-berlin.de/museumspaedagogik/