Humboldt-Universität zu Berlin - Digitale Medien – Projekte und Plattformen

Multimedia-Chunks für Deutsch als Fremdsprache

Mit welchem Input und mit welchem Typ von Inputverarbeitung lassen sich nachhaltige Effekte beim Fremdsprachenlernen erzielen? Das ist die Forschungsfrage, die der Entwicklung des Lernmoduls am Institut für deutsche Sprache und Linguistik zugrunde liegt. Auf der Grundlage von linguistischen und lerntheoretischen Erkenntnissen wird Deutschlernenden der Zugriff auf ein Chunk-Angebot in der Form von Videos und Animationen geboten; das wissenschaftliche Ziel ist die Überprüfung von Hypothesen zu Verarbeitungs- und Lernprozessen im Bereich des Deutschen als Fremdsprache.

Sprach- und literaturwissenschaftliche Fakultät → Institut für deutsche Sprache und Linguistik

Prof. Dr. Brigitte Handwerker

brigitte.handwerker@cms.hu-berlin.de http://www2.rz.hu-berlin.de/daf/

2093 9674 | Karin Madlener | -9672

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Vieles beim Sprachenlernen ist Sequenzlernen, und abstraktes
grammatisches Wissen entwickelt sich aus der Analyse von
Sequenzinformation. Damit der fremdsprachliche Input die Kompetenz des
Lerners nachhaltig verändert, muss zum einen das bewusste und
konzentrierte Erstellen einer Form-Bedeutung-Konnektion erreicht
werden; zum anderen müssen die Strategien der Inputverarbeitung beim
Lerner verändert werden. Zentral dabei ist die Vorgabe vorgefertigter
komplexer sprachlicher Ausdrücke mit "gefrorener" Grammatik, die als
Ganzes ("Chunks") wahrgenommen und gespeichert werden. Für das
Erstellen der Form-Bedeutung-Konnektion werden die Chunk-Angebote im
Lernmodul in Filmen mit Untertiteln, als Foto-Kommentar und in
Animationen präsentiert; für die Veränderung der Lernstrategien werden
explizite Instruktionen zu Lexikon, Grammatik und
Verwendungsbeschränkungen direkt zum Chunk-Angebot verfügbar gemacht.

Der Prototyp zum Lernmodul bereitet eine linguistisch und
lerntheoretisch ertragreiche Verbklasse als Lerngegenstand auf: den der
psychischen Wirkungsverben wie z.B. "erschrecken", "deprimieren" und
"faszinieren". Diese Verben erlauben im Gegensatz zu "normalen" Verben
wie "arbeiten" eine Konstruktion mit der Kopula "sein" und dem Partizip
1: "Der Maler ist faszinierend", aber nicht "Der Maler ist arbeitend".

Sequenzen mit psychischen Wirkungsverben in einer Konstruktion mit dem
Partizip 1 werden im Lernmodul im Sinne des "Input Enhancement"
massenhaft präsentiert. Den Multimedia-Rahmen liefert die Sendung
"Linguistische Nachrichten" mit bewegenden Filmbeiträgen aus Berlin und
aller Welt. Die Einzelbeiträge können mit Untertiteln und den Links zu
Lexikon und Grammatik abgerufen werden. Außerdem stehen Fotos aus den
Filmen mit begleitendem Chunk-Angebot zur Verfügung. In Animationen,
die das Chunk-Angebot in Situationen zum Memorisieren und zur
Selbstproduktion einbetten, werden Sequenzen nach Kriterien der
Natürlichkeit des Ausdrucks in einer gegebenen Situation (native-like
selection) ausgewählt. Informationen zur Konstruktion und Angaben zur
negativen Evidenz, d.h. zu Blockierungen von Ausdrücken in einer
Konstruktion bzw. Situation, sind abrufbar.Um die Eigenart der
ausgewählten Verbklasse zu erklären, wird ebenfalls in Form einer
Animation das Zusammenspiel von Lexik und Grammatik visualisiert und
der Ablauf der Versprachlichung mit den beteiligten Vorgängen und ihren
Aktanten nachvollziehbar gemacht. Diese Animationen sind eingebettet in
ein Angebot zum Hintergrundwissen, das abgestimmt ist auf verschiedene
Nutzer und getrennt angeboten wird für Lerner, Lehrer und Linguisten.
Im Textteil werden die Lerngegenstände aus der Perspektive von
Sprachlern- und -lehrforschung und theoretischer Linguistik
dargestellt.
In Hinblick auf die Veränderung der Lernstrategien bereitet das
Lernmodul Konstruktionen des Deutschen für das selbständige
Chunk-Lernen auf; das Chunk-Angebot ist einerseits für den Lerner
direkt speicher- und abrufbar, andererseits als Tuningmaterial für die
(Weiter)Entwicklung der mentalen Grammatik durch geplanten,
vorstrukturierten Input und als Ausgangspunkt für eigenes, aktives
Chunking konzipiert. Die Links zu den verschiedenen Feldern bieten die
Möglichkeit der selbst gewählten Bewusstmachung/Vertiefung eines
ausgewählten Lerngegenstands.
Das Projekt sieht im Weiteren die Überprüfung von Hypothesen zur
Inputverarbeitung anhand von elektronischen Protokollen des
Lernerverhaltens, die Integration erwerbskompatibler Lernaufgaben mit
automatischer Fehleranalyse und empirische Untersuchungen zur
Nachhaltigkeit von Effekten der Arbeit mit dem Lernmodul vor.