Humboldt-Universität zu Berlin - Digitale Medien – Projekte und Plattformen

Datenbank mittelalterlicher Pilgerzeichen

In den letzten Jahren hat das Interesse an Fragen historischer Mobilität zugenommen - dazu gehören Wallfahrten, die im Mittelalter ganz Europa in Bewegung setzten und sich durch Funde von Pilgerzeichen genauer rekonstruieren lassen. Pilgerzeichen waren kleinformatige Metallgüsse, die seit der Mitte des 12. Jhs. an den bedeutendsten Wallfahrtsorten hergestellt und verkauft wurden. Das Projekt hat damit begonnen, mitteleuropäische Pilgerzeichen in einer Datenbank zu erfassen und über das WWW recherchierbar zu machen.

Theologische Fakultät
 
Hartmut Kühne

hartmut.kuehne@rz.hu-berlin.de http://www.pilgerzeichen.de

2093-9708

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In den letzten Jahren hat das Interesse an Mobilität in vormodernen
Zeiten in allen Kulturwissenschaften zugenommen. Eine herausragende
Form solch vormoderner Mobilität waren die Wallfahrten, die im
Spätmittelalter ganz Europa in Bewegung setzten. Während literarische
Quellen meist nur die spektakulären Ereignisse im Pilgerwesen oder die
Reisen von Gruppen der Oberschicht dokumentieren, geben die Funde aus
dem Bereich der materiellen Kultur einen breiteren Einblick in die
Vormoderne. Dazu gehören besonders die archäologischen Funde von
Pilgerzeichen.
Pilgerzeichen sind kleinformatige Metallgüsse, meist aus einer
Blei-Zinn-Legierung, die seit der Mitte des 12. Jhs. zuerst nur an den
bedeutendsten Wallfahrtsorten entlang der Jakobswege hergestellt
wurden. Seit dem 14. Jh. nahm die Zahl der Kirchen, die solche
Metallgüsse emittierten, rasch zu: Heute sind Pilgerzeichen aus etwa
250 europäischen Kirchen bekannt. In serieller Massenproduktion
hergestellt, stellen sie den am Ort verehrten Heiligen, Kultbilder o.ä.
dar und sind so ein frühes bildliches Massenmedium. Sie wurden während
der Pilgerfahrt an der Kleidung oder am Hut getragen und zu Hause als
Devotionalien verwahrt. Die in einigen Regionen seit der Mitte des 14.
Jh. bekannte Praxis, Pilgerzeichen auf Glocken abzugießen, erweitert
das Material über die archäologischen Funde hinaus.
Eine systematische Erfassung von Pilgerzeichen bietet Material sowohl
für alle, die sich mit der Verbreitung mittelalterlicher Bildtypen
befassen, wie auch für die Untersuchung der Reichweite und zeitlichen
Phasen von Wallfahrtsbewegungen oder Mobilität überhaupt.
Mit der Sammlung von Pilgerzeichentestimonien hatte Prof. Kurt Köster
/ Frankfurt a. M. (gest. 1986) begonnen. Seine durch ein DFG-Projekt in
eine benutzbare Form gebrachte Kartei befindet sich seit 1986 im
Deutschen Glockenarchiv des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg. Das
Projekt begann daher mit der Aufnahme von Daten aus dieser Kartei,
enthält aber inzwischen auch Nachweise über Neufunde und Material, das
Köster nicht erfasst hatte.
Durch die Übertragung der in Zettelform vorliegenden Kartei wird eine
verbesserte Archivierung erreicht: Die Ergänzung von Daten ist jetzt
nicht mehr an die Papierkartei in Nürnberg gebunden, sondern kann
theoretisch an jedem mit dem Internet verbundenen Rechner vorgenommen
werden. Auch die Möglichkeiten der Informationserschließung wurden
erweitert. Es ist nun möglich, Pilgerzeichen nach Herkunftsorten,
Fundorten, Darstellungen im allgemeinen und Heiligen im besonderen zu
erschließen. Die Erfassung der Daten in einer relationalen Datenbank
brachte auch einen weiteren Mehrwert mit sich: Durch die Verknüpfung
der bestehenden Literaturkartei steht nunmehr sowohl zu den einzelnen
Pilgerzeichen als auch zu den Wallfahrtsorten eine Bibliographie zur
Verfügung.
Eine Erweiterung der Datenbank, die zur Zeit allerdings noch nicht
online verfügbar ist, kann thematisches Kartenmaterial automatisch
generieren, insbesondere also Verteilungskarten, die z. B. die Fundorte
der Pilgerzeichen eines Herkunftsortes zeigen. Hier zeichnen sich
weitere Verwendungsmöglichkeiten der Datenbank ab.
Im Projektzeitraum wurden neben der funktionalen Erweiterung der
Datenbank mit einem nicht unbedeutenden Aufwand Umstrukturierungen
vorgenommen. Dies waren einerseits, für den Benutzer unsichtbar,
Veränderungen an der internen Aufbau der Datenbank, andererseits aber
auch viele kleine ƒnderungen am Erscheinungsbild des Projektes im
Internet, was dem Nutzer eine übersichtlichere Erschließung der Daten
möglich macht.