Humboldt-Universität zu Berlin - Digitale Medien – Projekte und Plattformen

Requiem

Das Projekt "Requiem" erforscht die Grabmalskultur römischer Eliten in der Zeit zwischen 1420 und 1800. Dafür ist eine internetgestützte Datenbank notwendig, in der sowohl die Personendaten wie auch die Grabmalsdaten gesammelt werden. Ein Kooperationsnetz sorgt dafür, daß die entsprechenden Daten aus den verschiedenen Forschungszentren Europas online eingespeist werden können. Über eine verknüpfte Begriffs- und Datensuche ist es mittelfristig möglich, mit Hilfe der Datenbank statistische Auswertungen vorzunehmen, die ganz neue Perspektiven auf die frühneuzeitliche Grabmalskultur in Europa eröffnet.

Dr. Philipp Zitzlsperger

philipp.zitzlsperger@culture.hu-berlin.de http://www.requiem-project.de

HU Berlin | Kunstgeschichtliches Seminar | Dr. Arne Karsten | Dr. Philipp Zitzlsperger 2093-4457 |

Download Poster ( application/pdf, 110 KB )

 

"Requiem" ist ein interdisziplinäres Forschungsprojekt in
Zusammenarbeit von Kunsthistorischem Seminar der Humboldt-Universität
zu Berlin (Prof. Dr. Bredekamp) und Historischem Institut der
Universität Fribourg in der Schweiz (Prof. Dr. Volker Reinhardt). Die
Untersuchung der römischen Papst- und Kardinalsgrabmäler im Zeitraum
zwischen 1420 und 1798 verläuft dabei an der Schnittstelle von
Kunstgeschichte, Geschichte und Soziologie.
Nur unter Berücksichtigung der soziopolitischen Umstände im
Kirchenstaat können die Entstehungsursachen, das Wechselverhältnis von
Form und Funktion und die Ikonographie der Grabmäler erklärt werden.
Dabei bietet gerade Rom ein außerordentlich günstiges Versuchsfeld, da
es wegen seiner in Europa singulären kirchlichen Wahlmonarchie eine
besonders kompetitive Gesellschaftsform bedingte. Im Ringen um Status
und Statuserhalt bedienten sich die Kleriker und ihre Familien
ausgefeilter visueller Strategien, welche die Kunstproduktion in einem
Maße steigerte, dass sie in Europa ihres Gleichen suchte. Die Papst-
und Kardinalsgrabmäler in den öffentlichen Kirchenräumen übernehmen in
diesem Rahmen nicht nur die Garantie der Erinnerung an die
Verstorbenen, sondern vor allem auch die Aufgabe der Statussicherung
und Statuslegitimierung des hinterbliebenen Familienkollektivs für die
Zukunft.
Die Zahl und künstlerische Qualität der in Rom erhaltenen Grabmäler
von Angehörigen der gesellschaftlichen Oberschicht aus dem
Spätmittelalter und der frühen Neuzeit dürfte ohne Parallele sein. Der
Hauptgrund für diesen Sachverhalt ist in den spezifischen politischen
und gesellschaftlichen Strukturen zu suchen, die den Kirchenstaat
auszeichneten, seiner im europäischen Vergleich doppelt eigentümlichen
Verfassung als kirchliche und Wahl-Monarchie. Die sich daraus ergebende
Verhinderung von dynastisch-herrscherlicher Traditionsbildung, wie sie
in den meisten Staaten Europas erfolgte, hatte weitreichende Folgen für
die soziale Wirklichkeit: Der kontinuierliche Wechsel von regierenden
Familien (als welche die Angehörigen des amtierenden Papstes sich bis
ins 18. Jahrhundert hinein nicht nur selbst sahen, sondern auch von
außen gesehen wurden) führte zu einem hochkompetitiven Sozialklima.
Bezeichnenderweise gab es in Rom, anders als in den meisten
italienischen Städten dieser Epoche, kein Adelsverzeichnis, das die
Zugehörigkeit zum exklusiven Kreis der Nobilität auf Dauer festschrieb.
Der Aufstieg einer Familie konnte in Rom leichter gelingen und weiter
führen als irgendwo sonst entsprechend hart umkämpft war er.
Der rasche Wechsel von auf- und absteigenden, nachrückenden und
arrivierten Familien schlug sich jedoch nicht nur in einem ausgeprägten
politischen Konkurrenzverhalten innerhalb der römischen Gesellschaft
nieder. Darüber hinaus förderte das strenge Wettbewerbsklima auch und
gerade die Kunstproduktion als Medium der propagandistischen
Selbstdarstellung. Anders ausgedrückt: Die labilen politischen
Konstellationen forderten geradezu ein hohes Innovationspotential auf
dem Gebiet der Kunstförderung, und hier wiederum in besonderem Maße im
Bereich der Grabmalskultur. Letztere musste für die direkte
Auseinandersetzung zwischen den Adelsclans durch Visualisierung von
sozialem Status aus zwei Gründen hervorragend geeignet erscheinen: Zum
einen war der Kirchenraum im Gegensatz zu den Familienpalästen jedem
zugänglich. Auf diese Weise konnte sich das Grabmal bzw. die
Grabkapelle als besonders wirksames Medium einer an Personenkult
grenzenden Familienpropaganda entfalten. Zum anderen gründete die
singuläre Breitenwirkung auf dem doppelten Ewigkeitsanspruch, den das
Grabmal sowohl dem Verstorbenen für das Leben nach dem Tod als auch der
Familie für den uneingeschränkten Fortbestand in der römischen
Gesellschaft garantieren sollte.