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Ungeahnte Dimensionen des Vogelkopfes

Die Rekonstruktion von Körpermodellen aus zweidimensionalen morphologischen Strukturen ist alt und geht auf die Anfänge der Vergleichenden Anatomie zurück. Heute können wir diesen zeitraubenden Schicht-Modellbau früherer Zeiten durch virtuelle Modelle weitgehend ersetzen, und eröffnen damit weitere Anwendungsgebiete in Forschung und Lehre. Eine moderne und zeitsparende Version zur Umwandlung von Schnittbildern kleiner und komplizierter Strukturen des Wirbeltierkopfes wird anschaulich präsentiert.

Rüdiger Becker

ruediger.becker@museum.hu-berlin.de

HU Berlin | Institut für Systematische Zoologie

 

Wirbeltierköpfe sind im weitesten Sinne Apparate, die den anspruchsvollen mechanischen Funktionen der Nahrungsaufnahme, der Hydro- oder Aerodynamik der Fortbewegung, und schließlich den höheren Sinnesleistungen und dem Denkvermögen dienlich sind. Sie entstehen in der Entwicklung des Embryos durch komplizierte Abfolgen von Gewebs- und Organbildungen. Deren Lagebeziehungen zueinander und deren funktionellen Zusammenhänge haben schon in der idealistischen Vergleichenden Anatomie seit den Zeiten von Johann W. Goethe (1749-1832) eine große Rolle gespielt, später auch in den evolutionsbiologischen Argumentationen von Thomas Henry Huxley (1825-1895), Johannes Müller (1801-1858), Ernst Haeckel (1834-1919) oder Carl Gegenbaur (1825-1903).
Wirbeltiere sind nicht immer groß ihre Embryonen und Larven schon gar nicht. Wirbeltierköpfe sind immer komplexe Gebilde aus Muskeln, Knochen, Knorpel, Zähnen, Haut, Nerven- und Drüsengewebe, manchmal auch jeder Menge hornigen Materials der Haut: Schuppen, Schnäbel, Federn, Haare, Hörner. Diese Strukturen und ihre Zusammenhänge für die Systematik und Evolutionsbiologie der Tiere nutzbar zu machen, d.h. Merkmale verschiedener Tiergruppen miteinander vergleichen zu können, erfordert oft eine Rekonstruktion zweidimensionaler Analysedaten oder Bilder beispielsweise aus einer histologischen Schnittserie zu einem dreidimensionalen Objekt, etwa einem vergrößerten Zungenmodell.
In früheren Zeiten rein zeichnerisch oder aufwendig mit Schicht-Modellen gelöst, stehen heute PC-basierte Programme zur Verfügung, die solche (virtuellen) Modelle anschaulich und mit weniger Zeitaufwand leisten. Es eröffnet sich damit auch die Möglichkeit, diese klassische Methode der Erfassung komplexer Strukturen vermehrt in der Lehre einzusetzen, etwa als Begleitprogramm zu Kursen.
Wir haben in Zusammenhang mit einer aktuellen Forschungsarbeit zur stammesgeschichtlichen Verwandtschaft und Evolution von Greifvögeln, Eulen und Nachtschwalmen begonnen, das Zungenskelett zu rekonstruieren und präsentieren erste Ergebnisse dazu, zeigen aber auch verschiedene klassische Modelle, zeichnerische Rekonstruktionen und Schädelpräparate von Wirbeltieren. Vogelköpfe sind gegenüber einem ursprünglichen Wirbeltierkopf besonders stark verändert und nicht leicht zu vergleichen; funktionell sind sie Kopf und Hand des Säugetiers zugleich; sie sind besonders beweglich, besonders leicht gebaut, besitzen ein großes Hirnvolumen, enorm leistungsfähige und vergrößerte Sinnesorgane des Sehens und Hörens, dazu einen Hornschnabel und vielgestaltigen, beweglichen Zungenapparat, die Zähne und Lippen funktionell ersetzen.

Technik
Scanbilder histologischer Serienschnitte, Bilder von Röntgen- oder Magnetresonanz-Computer Tomographen werden in einer Bilddatenbank gespeichert, die Bilder aligniert, Strukturen ausgewählt und diese mit einer 3-D-Rekonstruktionssoftware (3-D Modul von analySIS (Soft Imaging Systems) mittels Triangulation in ein räumliches Objekt verknüpft.

Danksagung
Wir bedanken uns sehr bei den Mitarbeitern des Multimedia Lehr- und Lernzentrums der HU, besonders bei Frau Dr. Sabine Helmers, für die gute Projektbegleitung, bei Mike Schlott und Dirk Striebing (DV-Bauftragte Museum für Naturkunde) für Beratung und Unterstützung in allen technischen Belangen.