Humboldt-Universität zu Berlin - Digitale Medien – Projekte und Plattformen

Fingeralphabet-Software

Die Deutsche Gebärdensprache ist seit etwa fünf Jahren Gegenstand von Forschung und Lehre an der Humboldt-Universität. Da es sich um eine sichtbare Sprache handelt, bietet sich zu ihrem Erlernen der Einsatz visueller Medien in besonderer Weise an. Entsprechende didaktische Hilfen stehen jedoch noch kaum zur Verfügung. Die Abteilung »Gebärdensprachdolmetschen« hat deshalb im vorliegenden Projekt ein interaktives Lernprogramm entwickelt, mit dem die Beherrschung bestimmter gebärdensprachlicher Techniken sowohl individuell als auch in Unterrichtssituationen trainiert werden kann.

Prof. Dr. Horst Ebbinghaus | Thomas Geißler

horst.ebbinghaus@staff.hu-berlin.de http://www.reha.hu-berlin.de/dolmet

 

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Das Fingeralphabet ist ein kleiner, aber nicht unwichtiger Bestandteil der Gebärdensprache. Aufgrund der Flüchtigkeit der Formen stellt sein Gebrauch eine besondere Herausforderung für den Lerner dar. Gerade die Aneignung der rezeptiven Fähigkeiten erfordert einen hohen Übungsumsatz, der im normalen Unterricht nicht zu erreichen ist. In dem beschriebenen Projekt ist deshalb eine multimediale Lernhilfe entwickelt worden, die sowohl im Übungsunterricht eingesetzt werden kann als auch unabhängig von den Seminaren ein kontinuierliches Selbststudium erlaubt. Basis der Fingeralphabet-Software ist eine Datenbank, in der sich Videoclips mit Fingeralphabet- Wörtern und entsprechende orthographisch wiedergegebene Begriffe verknüpfen lassen. Der Benutzer kann jeweils einen Film mit fingeralphabetisierten Wörtern betrachten und diese zu identifizieren versuchen. Seine Eingabe der identifizierten Wörter wird durch Erfolgs- bzw. Misserfolgsmeldungen quittiert. Das Lernprogramm beinhaltet 10 Lektionen, die ihrerseits aus mehreren Übungseinheiten bestehen. Eine Übungseinheit enthält einen Videoclip, der in ca. 10 Sinnabschnitte geteilt ist. Der Schwierigkeitsgrad der Übungseinheiten nimmt progressiv zu, beginnend mit kurzen Buchstabenfolgen, wie Abkürzungen und einsilbigen Eigennamen (z.B. HU, ABS, BVG bzw. Tom, Liz etc.) und steigert sich bis zu komplexen Fremdwörtern und Fachtermini.
Die Übungen können sowohl in einem Testmodus als auch in einem Lernmodus aufgerufen werden. Die beschriebene Anwendung ist plattform- und computerunabhängig bedienbar. Sie soll das Abspielen von Lern- und Testmaterialien auf der Grundlage einer intuitiven Navigation erlauben. Die Datenbank dient zugleich als Speicher für die Materialien, die auf einem zugangsreglementierten Webserver mit der Option der ortsunabhängigen Nutzung vorgehalten werden. Die Datenbankprogrammierung als Herzstück des Projektes erlaubt den sukzessiven Ausbau des Materialbestandes und damit eine weit über das Projektende hinausreichende Nutzung. Realisiert wird die Lernsoftware mit der Programmiersprache Java, dem Java-Web-Framework Wicket und der Entwicklungsumgebung NetBeans. Webseiten, dazugehörige Subelemente und Strukturen können mit einfachen Mitteln als Java-Komponenten implementiert werden.
Ausgangspunkt des Projektes war eine empirische Datenerhebung, um realistische Sprachproduktionen für die Visualisierungen zu erhalten. Dies ist besonders für ein effektives Fingeralphabettraining erforderlich, da Individualstile und Buchstabiergeschwindigkeiten erheblich variieren können. Um eine realistische Variationsbreite zu erzielen, wurde die Fingeralphabetproduktion von 15 Personen unter Studiobedingungen aufgenommen. Das so gewonnene Material wurde unter Anleitung von Mitarbeitern ausgewählt und für die Einbindung in die Datenbank aufbereitet. Parallel zu der Herstellung des empirischen Materials erfolgte die Programm-Entwicklung. Nach acht Monaten der Projektdurchführung ist der Prototyp der Lernsoftware funktionsfähig. In den verbleibenden Monaten wird weiteres Sprachmaterial aufbereitet und in die Datenbank eingearbeitet. Eine abschließende Testphase dient der Fehlerbehebung sowie der Überprüfung von Bedienbarkeit und Benutzerfreundlichkeit. Nach erfolgreichem Probelauf wird das Material sowohl für die Lehre im Seminar als auch im Netz zum Selbststudium zur Verfügung stehen.