Tarifvertrag zur Arbeit am PC
Humboldt-Universität zu Berlin
Beauftragte des Präsidenten
AS-Report 3/1989 (FU Berlin)
Tarifvertrag zur Arbeit am PC
Endlich ist er da, der Tarifvertrag!
Nach langwierigen Verhandlungen gelang die Einigung zwischen dem Arbeitgeber
des öffentlichen Dienstes und der ÖTV Berlin, so daß der
Vertrag am 1. April 1989 in Kraft gesetzt werden konnte. Im § 1
(Geltungsbereich) ist die Freie Universität Berlin ausdrücklich
aufgeführt, so daß der Vertrag für alle unsere Mitarbeiter,
die am Bildschirm arbeiten, verbindlich ist. Uns liegt jetzt der Text mit
Erklärungen des Senators für Inneres (SenInn) und den
Erläuterungen im vollen Umfang vor, und wir wollen die Passagen
herausgreifen, die sich im engeren und weiteren Sinne auf den Arbeitsschutz
beziehen.
Die wichtigste Errungenschaft ist diese:
Die Sicherheitsregeln für Bildschirmarbeitsplätze im
Bürobereich und die Sicherheitsregeln für
Büroarbeitsplätze - soweit sie bei der Bildschirmarbeit Anwendung
finden - sind als verbindliche Bedingung in den Tarifvertrag (§ 4)
aufgenommen worden, wodurch sie ihren lediglich empfehlenden Charakter verloren
haben. Sie sind jetzt durch vertragliche Vereinbarung gewissermaßen
zur Vorschrift erhoben worden, und ihre einzelnen Punkte sind unbedingt
einzuhalten. In der Ausgabe 2/88 des AS-REPORT hatten wir ausführlich
über diese Sicherheitsregeln berichtet und uns notwendig erscheinende
Erläuterungen hinzugefügt. Wir wollen uns hier nicht in Wiederholungen
ergehen und empfehlen Interessierten, dort nachzulesen (einzelne Exemplare
der Ausgabe 2/88 können bei der Dienststelle Arbeitssicherheit angefordert
werden).
Der Tarifvertrag geht aber in einzelnen seiner Bedingungen über die
Empfehlungen der Sicherheitsregeln hinaus, und auf diese Stellen soll nun
hingewiesen werden.
Zunächst der Geltungsbereich hinsichtlich der Ausstattung. Er
umfaßt alle Bildschirmarbeitsplätze, sowohl bereits bestehende
als auch künftig zu errichtende, sofern nicht in wenigen Einzelfällen
Ausnahmen gegeben sind. Dabei wird unterschieden in
"Bildschirmarbeitsplätze" und "Arbeitsplätze mit
Bildschirmunterstützung" (s. Begriffserklärungen). Einzelheiten
über die Ausstattung finden sich in den Sicherheitsregeln (Mobiliar,
Beleuchtung, Blendfreiheit, Lärmpegel usw.). In diesem Zusammenhang
empfiehlt der Tarifvertrag die Einrichtung von Musterarbeitsplätzen,
die von jedermann besichtigt und an denen Erfahrungen gesammelt werden
können. Wir verweisen dazu auf den in unserer Dienststelle schon vor
längerer Zeit eingerichteten Musterplatz. Leider ist von der
Besichtigungsmöglichkeit und der damit verbundenen Beratung bisher nur
sehr wenig Gebrauch gemacht worden. Das ist sehr bedauerlich, denn es
können an ihm sowohl positive als auch negative Einflüsse
erläutert und teilweise auch vorgeführt werden. Das bezieht sich
in der Hauptsache auf die wichtigsten Gesichtspunkte, wie richtige Sitzhaltung,
Höhenanpassung von Mobiliar und Gerät, Stellung zum Fenster,
Beleuchtung (Lage und Stärke) usw. Wir empfehlen allen Betroffenen,
diese Möglichkeit wahrzunehmen... Im übrigen verweisen wir auf
die DGB-Technologie-Beratung e. V., Keilstr. 1 - 3, Berlin, Tel.; 2 11 99
87/88. Dort kann ebenfalls ein Musterplatz besichtigt werden.
Abweichend von den Sicherheitsregeln ist die Notwendigkeit einer
augenärztlichen Untersuchung nicht mehr von der Länge der
am Bildschirm absolvierten Arbeitszeit abhängig zu machen. Vor der
Arbeitsaufnahme, sei es nun am Bildschirmarbeitsplatz oder an einem
bildschirmunterstützten Arbeitsplatz, muß eine Augenuntersuchung
vorgenommen werden. Im weiteren Verlauf sind, um evtl. Beeinträchtigungen
zu erkennen, solche Untersuchungen in Abständen von drei Jahren zu
wiederholen. Sollte begründeter Anlaß bestehen, so müßten
zusätzliche Augenuntersuchungen eingeschoben werden. Alle diese
Untersuchungen sollten nach Möglichkeit während der Arbeitszeit
stattfinden. Sofern sich herausstellen sollte, daß eine besondere Sehhilfe
erforderlich ist, muß sie auch beschafft und benutzt werden. Die
Gläser solcher Bildschirmarbeitsplatz-Brillen (BaB) müssen
einen besonderen Schliff erhalten, dessen Werte der Augenarzt ermittelt.
Dabei müssen die für die Bildschirmarbeit typischen Sehabstände
berücksichtigt werden, die sich naturgemäß von denen der
Lese- oder Fernsichtbrille unterscheiden. Die Untersuchungen werden vom
Betriebsarzt - soweit ein solcher vorhanden und dieser die offizielle
Ermächtigung besitzt - durchgeführt. Anderenfalls sind sie bei
externen ermächtigten Ärzten zu veranlassen. Die Kosten für
die Untersuchung, die evtl. notwendige Brille sowie notwendige Nebenkosten
hat der Arbeitgeber zu übernehmen, sofern nicht andere Kostenträger
eintreten. Dabei sind alle die Kosten als notwendig anzusehen, die auch von
der AOK getragen werden würden. Alle Betroffenen sollten unbedingt zum
Schutz ihrer Gesundheit von dieser Möglichkeit Gebrauch machen. Gelegentlich
geäußerte Bedenken, die Ergebnisse der Untersuchung könnten
das Arbeitsverhältnis beeinträchtigen, sind unberechtigt. Der Arzt
teilt dem Arbeitgeber lediglich mit, ob "Bedenken" oder "keine Bedenken"
bei dem Einsatz am Bildschirm bestehen. Weitere medizinische Befunde werden
nicht zur Kenntnis gegeben.
Ganz besonders begrüßen wir die tarifliche Regelung, die sich
mit der Ausbildung bzw. Einarbeitung befaßt und sich nicht etwa
nur auf die Geräte beschränkt, sondern auch die eingesetzten Programme
umfaßt. Dadurch wird eine neuerliche offizielle Einweisung bzw.
Unterrichtung erforderlich, wenn also beispielsweise am gleichen PC mit neuen
Programmen gearbeitet werden soll. Alle Aus- oder Fortbildungsmaßnahmen
sollen während der Arbeitszeit stattfinden bzw. sind ggf. auf diese
anzurechnen. Diese Unterweisungen sollen sich aber nach dem Willen der
Tarifpartner nicht nur auf die Handhabung der Geräte und Programme
beschränken, sondern sich auch auf die Veränderung der
Arbeitsabläufe, physische und psychische Belastungen am PC sowie
ergonomische Bedingungen erstrecken. Die Einzelheiten sind sehr ausführlich
im Vertragstext niedergelegt, in dem auch Vorstellungen über die Dauer
der Ausbildung fixiert wurden. Dabei wird in der Regel von 80 bis 100 Stunden
ausgegangen. Es kann aber einvernehmlich davon abgegangen werden, wenn bereits
fundierte Vorkenntnisse vorhanden sind.
Wir halten diese Passagen (§ 7) auch in ihrer Ausführlichkeit für
besonders wichtig, weil nach unseren Erfahrungen viele der beklagten Beschwerden,
auch gerade der physischen, auf die große Unsicherheit im Umgang mit
dem PC zurückzuführen sind. Im AS-REPORT 2/88 wurde darauf bereits
hingewiesen. Wir empfehlen allen Beteiligten, die Chancen zu nutzen. Bei
den Betroffenen wird es Ängste verringern und Streß abbauen, ihren
Chefs bessere Arbeitsergebnisse und umfassendere Nutzung des PCs bescheren.
Der § 8 regelt die Arbeitsunterbrechungen, die der Entspannung dienen
und die Ausdehnung der einförmigen Körperhaltung über allzu
lange Zeiträume verhindern sollen. Bedienstete haben nach 50minütiger
ununterbrochener Tätigkeit am Bildschirm Anspruch auf eine Pause von
10 Minuten. Die Pausen müssen frei von anderen Aufgaben bleiben. Sie
dürfen nicht zusammengezogen und an den Anfang oder das Ende der Pausen
oder der täglichen Arbeitszeit verlegt werden. Das ist folgerichtig,
denn es soll nicht etwa eine Verkürzung der Arbeitszeit, sondern vielmehr
eine Unterbrechung der gleichförmigen Belastung erreicht werden. Aus
gleichen Gründen entfällt diese 10minütige Unterbrechung,
wenn durch allgemeine Pausen oder andere nicht am Bildschirm vorzunehmende
Tätigkeiten die Unterbrechungen bereits gegeben sind. Diese 10minütige
Arbeitsunterbrechung ist nur dann vorgesehen, wenn mehr als zwei Stunden
ununterbrochen am Bildschirm gearbeitet wird. In diesem Sinne sind auch
Arbeitsplätze mit Bildschirmunterstützung einbezogen.
Im übrigen sollen nach Möglichkeit Mischarbeitsplätze
eingerichtet werden (§ 10). Das trägt ganz wesentlich zur Verringerung
der allgemeinen Belastung durch eintönige Arbeit, der damit verbundenen
vorzeitigen Ermüdung sowie der Fehlerquote bei.
Der Tarifvertrag enthält auch einige Schutzbestimmungen, die
besondere Situationen berücksichtigen. So dürfen z. B. Schwangere
am Bildschirmarbeitsplatz nicht beschäftigt werden, sofern nach
ärztlicher Beurteilung eine Gefahr für Mutter oder Kind entstehen
könnte. In dem diesbezüglichen Attest muß zum Ausdruck kommen,
daß die befürchtete Gesundheitsgefährdung durch die
Bildschirmarbeit hervorgerufen wird. Des weiteren darf ein Arbeitnehmer,
wenn er älter als 55 Jahre ist, erst dann erstmalig am Bildschirm eingesetzt
werden, wenn seine Zustimmung vorliegt. Für Arbeitnehmer, die nicht
mehr am Bildschirm eingesetzt werden können, weil gesundheitliche
Gründe dagegen stehen, gelten besondere Regelungen, sofern die
Gesundheitsbeeinträchtigung eindeutig auf die vorangegangene
Beschäftigung am Bildschirm zurückzuführen ist.
...
Für Rückfragen zum gesamten Tarifvertrag steht der jeweils
zuständige Personalrat zur Verfügung. Für Auskünfte,
die den Arbeitsschutz und damit die technischen Abschnitte betreffen, die
Dienststelle Arbeitssicherheit.
Wir benutzen abschließend die Gelegenheit, nochmals darauf hinzuweisen,
daß der PC nicht als moderner Ersatz für die Schreibmaschine
betrachtet werden darf, jedenfalls nicht, wenn es um die Einrichtung des
Arbeitsplatzes geht. In aller Regel bringt der PC einen größeren
Platzbedarf mit sich, die Tische und Stühle erweisen sich als ungeeignet,
die räumliche Anordnung erfordert die Berücksichtigung besonderer
Gesichtspunkte, die Lichtverhältnisse sind anpassungsbedürftig,
der mitunter erhebliche Lärmpegel muß gesenkt werden, auch bei
manchem modernen Drucker usw. usw. Aus diesen Gründen raten wir dringend,
diese Probleme bereits vor der Inbetriebnahme, am besten schon bei der Stellung
des Beschaffungsantrages, zu klären und vorzubereiten. Viel Ärger
unter den Betroffenen und Verzögerungen beim Einsatz der Geräte
könnten dadurch vermieden werden.
Abschließend soll noch auf eine weitere Besonderheit hingewiesen werden,
die erst kürzlich allgemein bekannt wurde:
Bei älteren Geräten ist bei Erwärmung das Austreten giftiger
Gase aus bestimmten Kunststoffteilen festgestellt worden. Bei
Betriebstemperaturen handelt es sich aber um außerordentlich geringe
Mengen, und das Bundesgesundheitsamt (BGA) geht davon aus, daß bei
normaler Lüftung der Arbeitsräume keine gesundheitsschädlichen
Konzentrationen auftreten können. Immerhin sollten Personalcomputer
nicht hinter schlecht durchlüfteten Raumabteilungen oder in
unbelüftbaren Kammern aufgestellt werden. Wir erwarten vom BGA noch
eine ausführlichere Stellungnahme und werden nach Erhalt derselben
darüber berichten.
Inhalt des Tarifvertrages
-
§ 1 Geltungsbereich
- § 2 Begriffsbestimmungen
- § 3 Zusammenarbeit mit dem Personalrat und Information der Arbeitnehmer
- § 4 Ausstattung und Gestaltung von Arbeitsplätzen mit Geräten der Informationstechnik
- § 5 Schutzbestimmungen
- § 6 Ärztliche Untersuchungen
- § 7 Einarbeitung, Aus- und Fortbildung
- § 8 Unterbrechung der Bildschirmarbeit
- § 9 Leistungs- und Verhaltenskontrolle
- § 10 Einrichtung von Mischarbeitsplätzen
- § 11 Gestaltungsgrundsätze für den Einsatz der Geräte der Informationstechnik
- § 12 Klärung von Grundsatzfragen
- § 13 Übergangs- und Schlußbestimmungen
- § 14 Inkrafttreten, Kündigung
- § 2 Begriffsbestimmungen
Begriffsbestimmungen
Bildschirmarbeitsplätze sind Arbeitsplätze, bei denen die
Arbeitsvorgänge, die mit und an Bildschirmgeräten zu erledigen
sind, bestimmend für die gesamte Tätigkeit der Arbeitnehmer sind.
Dies ist der Fall, wenn die Arbeitnehmer mit durchschnittlich mindestens
der Hälfte ihrer Wochenarbeitszeit an diesen Geräten eingesetzt
werden. Bildschirmarbeiten sind alle Tätigkeiten, die fast dauernden
Blickkontakt zum Bildschirm oder laufenden Blickwechsel zwischen Bildschirm
und Vorlage voraussetzen.
Arbeitsplätze mit Bildschirmunterstützung sind alle
Arbeitsplätze, bei denen mit Bildschirmgeräten gearbeitet wird,
aber die Arbeitsvorgänge mit und an Bildschirmgeräten nicht bestimmend
für die gesamte Tätigkeit der Arbeitnehmer ist.
Mischarbeitsplätze sind Arbeitsplätze, an denen sowohl
Arbeitsvorgänge mit und an Bildschirmgeräten als auch andere
Arbeitsvorgänge zu erledigen sind.
Bildschirmgeräte sind Geräte zur veränderlichen Anzeige von Zeichen oder graphischen Bildern, wie Bildschirmgeräte mit Kathodenstrahl- oder Plasmaanzeige oder vergleichbare Geräte. Als Bildschirmgerät im Sinne dieses Tarifvertrages gelten auch Mikrofilm-Lesegeräte für Rollfilme, Mikrofiches und vergleichbare Systeme.
Nicht zu den Bildschirmgeräten im Sinne dieses Tarifvertrages gehören
Fernsehgeräte, Monitore und Digitalanzeigegeräte sowie vergleichbare
Anzeige- oder Überwachungsgeräte, es sei denn, sie werden im
bestimmenden Maße für die digitale Daten- und Textverarbeitung
eingesetzt.
Neu ist:
- Sicherheitsregeln werden zu Tarifrecht.
- Augenärztliche Untersuchung ohne Einschränkung
- Kostenübernahme für Bildschirmbrille
- Mutterschutz
- Einarbeitung - Ausbildung
-
Arbeitsunterbrechungen
Fragen an das Referat Arbeitsschutz/Beauftragte der Technischen Abteilung
© Humboldt-Universität | Kontakt | 12.03.01 ab